Sain bai-na uu,
seit einiger Zeit zerbreche ich mir den Kopf wie ich diesen Bericht abfasse, denn die Details sind nicht unbedingt erwaehnenswert, wenn man nicht dabei war. Begriffe wie: "sagenhafte Landschaft" und "geile Zeit" sind erstens schwer rueberzubringen, und es versteht eh jeder 'was anderes d'runter. Andere Begriffe wie: "verdammt anstrengend" und "scheiss kalt" ebenso. Die wenigsten Leute aus meinen Bekanntenkreis haben einen Schimmer, wie es ist, voellig alleine "mitten im Nix" zu sein, wo im Umkreis von 100km kein Mensch zu finden ist, und welch ein Gefuehl es ist, sich vollkommen auf die Technik eines Motorrades zu verlassen, und das ueber eine Woche. Im Uebrigen wird dieses Gefuehl gesteigert, wenn nicht einmal Baeume oder Berge zu sehen sind.. Ich meine wirklich "nix" in diesem Fall.. ..alles eben.. die Sicht geht ca. 30km in JEDER Richtung.




Wir verbringen die Tage mit Erholung von der Nacht davor und den wenigen Erledigungen, die zu tun sind. Mit im Gepaeck habe ich ein paar Folgen von "24", wobei "Jack Bauer" unser offizieller Held wurde. Robbo und Dierk haben viel zu tun, denn sie wollen durch China... Doch diese Geschichte erzaehle ich lieber muendlich.. oder: http://hardwayhome.blogspot.com . Nachmittags geht's dann meistens zum "Irisch Pub", und wir enden irgendwann in Lokalen wie "River Sounds" oder "Strings", wo es Live-Musik gibt, und wo wir mittlereweile die Bands kennen und die Abende mit Tischfussball und bloed Rumquatschen verbringen. Es ist ein paar mal vorgekommen, dass ich vor lauter Bauchschmerzen und (Bauch-)Muskelkater nicht mehr lachen konnte, so einen Spass hatten wir. Doch, wie gesagt.. eher Situationskomik und unmoeglich zu beschreiben.




Es gab zwei grosse, langwierige Ereignisse waehrend meiner Zeit:
1. eine Ralley. Hierbei handelte es sich um eine Gruppe von Englaendern, Spaniern und Italienern, die sich irgendwie Autos besorgten, irgendwie (Kazachstan oder Russland oder..) hierher fahren und diese Autos zu Gunsten wohltaetiger Zwecke versteigern lassen. Mit ca. 80 Leuten macht es scho
n Spass durch die Kneipen zu ziehen!

2. die Olympiade. Ich weis nicht, ob die Mongolei jemals Medaillen gewonnen haben, doch dieses mal gab's gleich 4 (2 Gold, 2 Silber). Die Mongolen sind voellig aus dem Haeuschen und feiern wie verueckt! Einmal geriet sogar ein Bus in Flammen, der die Hauptstrasse fuer den naechsten Tag blockierte. Uebrigens, der Praesident sitzt auch hier und feiert wie jeck! (der wohnt eh' gegenueber vom "Irisch Pub").

An dieser Stelle vielleicht doch einige Erklaerungen zur Mongolei..
Die Mongolei ist etwa 5 mal groesser als Deutschland. Es leben etwa 2,5 Millionen Leute im Land und etwa 3,5 Millionen ausserlandes. Ich wuerde sagen, dass 90% der Leute in UB leben, womit der Rest vom Land ziemlich leer ist. Draussen auf dem Lande gibt es nichts.. ich meine nichts! Noch nicht einmal Gras. Wie die Mongolen solange ueberlebt haben, ist mir ein Raetsel. Es wird aber erklaerlich warum keiner (noch nicht einmal die Russen) das Land uebernommen hat im Laufe der Geschichte.
In den letzten Jahrzehnten hat sich herausgestellt, dass es unterirdisch alles gibt, was das geldgierige Herz begehrt: Gold, Silber, Kupfer, Oel, jede Menge eben. Schneller als die Mongolen sind die auslaendischen Firmen, die sich hier (eigentlich nicht gesetzeskonform) breitmachen und Minen buddeln. Gesetzeskonform wird es, wenn genug Schmiergeld fliesst, und das macht einen kleinen Teil der Mongolen ziemlich reich. Ich habe sogar einen Lambourgini gesehen.. und das bei 200km Asphalt im GANZEN Land. Die Menschen, die Arbeit haben, machen etwa 150US$ im Monat. Die Leute auf dem Lande ueberleben irgendwie, wollen es aber so haben. Es wird mir erklaert, dass die Winter (immerhin 70% vom Jahr) ziemlich hart werden, weil es nichts zu verbrennen gibt.. oder doch? Die Leute verbrennen so ziemlich alles wie Autoreifen, Plastikmuell und Viehscheisse. Das ergibt einen Smog, der nicht auszuhalten ist.





Ein weiteres Beispiel, als ich (aus Afrika) von Frankfurt nach Koeln mit dem Zug fuhr... Innerhalb 2 Stunden habe ich 6 Lebensgeschichten gehoert, ohne dass irgendeiner nach meinem Namen fragte! Heisst das vielleicht, dass wir froh sind, wenn endlich mal einer zuhoert? Oder ist es vielleicht, weil wir uns fuer sooo toll halten, dass wir unsere Geschichten unbedingt weitergeben muessen? ..Und gleichzeitig deutlich machen, wie unwichtig das Gegenueber ist? Ist es ein ewiges "Uebertruempfen muessen"? ..keine Ahnung, jedenfalls beschaeftigen mich diese Gedanken immer mehr, je naeher ich nachhause komme.
Anyway, ca. 1500 km offroad habe ich hinter mir mit allem, was die Mongolei zu bieten hat: ein Tag Schlamm... hey, dieser Schlamm ist vielleicht anstrengend! Eigentlich ist es kein Fahren sondern mehr so.. gleiten, wo der Gleichgewichtssinn immens gesteigert wird. Nach 200km davon weis man, was man getan hat! Weiter geht's mit Geroell, seichtem Sand, tiefem Sand, Steinen, riesigen Steinen, Fluessen, Steigungen/Senken oder auch alles gleichzeitig! Meistens handelt es sich um Spuren im Dreck, die von Autos gezogen wurden. Derer gibt es viele, auch nebeneinander, wodurch es sich ergibt, dass sogenannte "Strassen" 5km breit sein koennen. In den tiefsten Spuren macht es am meisten Spass.. Waehrend der "geradeauslauf" hohe Konzentration erfordert (die Spur ist bis zu 1/2 Meter tief und 1/2 Meter breit), sind die Kurven Wahnsinn! Diese Tiefe und Breite kann ich als Steilkurven verwenden! ...ziemlich Geil! Tja, die Konzentration macht sich bei mir nach 4 Stunden bemerkbar, und ich werde muede.. die Fahrt wird dadurch risikoreicher, und ich senke meine Geschwindigkeit drastisch.


Das alles hoert sich fuer den eingefleischten "Biker" vielleicht ziemlich toll an, doch nach 4 Tagen habe ich genug und will nur noch raus hier. Aber es gibt kein "raus hier". Damit wurden die letzten 3 Tage eher zur Qual.


Die letzten drei Tage, wie gesagt, werden zur Qual. Keine Dusche gesehen seit UB, und meine Haare sind nur noch fette Straehnen. Ich stinke nicht sonderlich wie in Afrika wegen der Kaelte und schwitze so gut wie gar nicht. Mein Leidensdruck ist aber nicht so schlimm, dass ich mich im Eiswasser bade. Der Wunsch nach einem warmen Hotel wird riesig, doch nach 6 Tagen komme ich in Ulaangom an (die zweitgroesste Stadt der Mongolei), und es gibt nur 2 Hotels. Keins davon hat eine Dusche im Zimmer, und warmes Wasser gibt es in der ganzen Stadt nicht. 
In 3 Restaurants versuche ich, was zu Essen zu bekommen, doch die Bediensteten winken nur ab.. es gibt nichts! Mein Zelt ist sauberer und schoener als die Hotelzimmer und ich ziehe weiter durch die Praerie. Die allerletzte Stadt vor der Grenze hat den Namen "Tsagaannuur". Hier gibt es gar nichts ausser einem perfekt ausgestattetem Militaerkomplex mit riesigem Zaun. Also wieder kein Hotel.. weiter frieren und meinen Bart, der unheimlich juckt, kratzen. Es gibt ein Mobilfunknetz, und ich beschliesse zunaechst in der Naehe zu bleiben, um wenigstens ein paar Worte mit jemandem zu wechseln. ..ach ja, Worte wechseln.. ich werde, besonders in den Orten, herangewunken von irgendwelchen Leuten, die aber kein Wort verstehen, was ich sage. Ich verstehe andererseits ebenfalls kein Wort. So geht es die ganze Zeit... was ein Sche.. Seit einer Woche mit Niemandem gesprochen! .. Die Grenze ist aber nur noch 35km weg. Was nutzt mir das, wenn mein Russlandvisum erst uebermorgen Gueltigkeit hat? Egal, schlimmer als dieses Tsag..-Loch kann's nicht sein, und in der Praerie kann ich immer noch zelten. Das Wunder geschieht: an der Grenze gibt es ein Hotel mit Heizung! Die Wirtin ist supernett und es gibt einen Gast, der englisch spricht.. Jippieh! Die Wirtin macht mir einen Eimer Wasser warm und bald darauf stehe ich in eine Buett.. herrlich!


Den heutigen Tag (12.09.08) liege ich nur rum und schreibe diesen Bericht. Das tut vielleicht gut!
Die Evolution, ein Gott oder das grosse-weisse-Taschentuch.. was auch immer diese Landschaft erschaffen hat, ...oder, wer/was immer mich programmiert hat, damit mir das gefällt, hat einen prima Job geleistet! Ich fahre total ab auf dieses Land und glaube, wer immer sagenhafte, fantastische Landschaften und die Einsamkeit liebt, und dann noch gerne eine Motorradherausforderung moechte, der MUSS hierher!
maat et juht, bis sehr bald
dae leeven Jung
P.S.: Im Moment habe ich keine Ahnung, wann ich diesen Bericht absetze. Ich behalte aber diese Zeitform bei und werde im naechsten Bericht nicht mehr von der Mongolei sprechen.
Noch was: Meiner AT habe ich ziemlich viel zugemutet. Es wird besonders deutlich, wenn ich mir die verbeulten Felgen und Schutzbleche ansehe. An dieser Stelle moechte ich mich bedanken fuer den tollen Gepaecktraeger und die Federabstimmung.. Kalla, du bist der Groesste
